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Während die Kreuztaler Feuerwehr ständig an ihrer Schnelligkeit bei Einsätzen arbeitet, hakt die praktische Umsetzung schnellstmöglicher Präsenz am Einsatzort nicht selten an den Realitäten der stauträchtigen Innenstadt in der zweitgrößten Kommune des Kreises Siegen-Wittgenstein. Der Rettungsdienst beklagt die gleiche Misere: Vor allem die Bundesstraße 508 zwischen der Hauptverkehrskreuzung und der Einmündung Zum Erbstollen gilt bei allen, die schnell Hilfe leisten wollen, als zeitraubendes Nadelöhr. Daran wird auch die für diesen Sommer angekündigte Erneuerung der Fahrbahndecke der Marburger Straße nichts ändern: Dem von der Stadtverwaltung geäußerten Wunsch nach einer Ausweichmöglichkeit, um Einsatzfahrzeugen Platz zu machen, wird der Landesbetrieb Straßenbau NRW jedenfalls nicht entsprechen.

6,50 Meter Normbreite und doch zu schmal

Damit bleibt die zweispurige, normgemäß 6,50 Meter breite Fahrbahn die einzige Durchfahrtsmöglichkeit und bedeutet nach wie vor eine nicht zu unterschätzende Zeitverzögerung für Rettungs- und Feuerwehrfahrzeuge, deren Schnelligkeit im Extremfall über Leben und Tod entscheiden kann. Hohe Bordsteine und beidseitige Grünstreifen, die die Hauptfahrspuren von den parallel verlaufenden Fahrrad- und Fußwegen trennen, bleiben auf diesem Teil der Marburger Straße in Kreuztal ein kaum überwindbares Hindernis. „Glücklich sind wir mit dieser Sache nicht“, gibt Rüdiger Schmidt zu verstehen, der im DRK-Kreisverband als Abteilungsleiter Rettungsdienst und Krankentransport auch für die DRK-Rettungswache in Kredenbach verantwortlich zeichnet. „Unter Umständen stehen wir im Stau sogar – wenn`s ganz dicke kommt, verlieren wir dabei zwei Minuten“, beschreibt Schmidt den Extremfall, dass beidseitiger Stau auf der B 508 ein zügiges Durchkommen selbst mit Blaulicht und Martinshorn unmöglich macht. Entsprechend schwer falle es daher, für entlegene Orte wie Littfeld und Burgholdinghausen die gesetzlich geforderte Hilfsfrist von acht bis zwölf Minuten einzuhalten.

Fataler Zeitverlust bei Notfällen

Wie fatal die Folgen eines vorübergehenden Steckenbleibens im Verkehr sein können, veranschaulicht Rettungsassistent Rüdiger Schmidt am Beispiel eines Herz-Kreislauf-Stillstandes, zu dem der Rettungsdienst gerufen werden könnte: Eine Unterversorgung des Gehirns mit Sauerstoff werde nach drei bis vier Minuten kritisch, und „alles, was über sechs Minuten hinausgeht, hat eine schlechte Prognose“, legitimiert er die Kostbarkeit jeder eingesparten Minute Fahrtzeit.

Großfahrzeuge können nicht ausweichen

Auch Kreuztals Feuerwehrchef Berthold Braun macht sich um die Schnelligkeit seiner Einsatzkräfte Gedanken, wenn die mit ihren Großfahrzeugen auf dem Weg Richtung Ferndorf im Stau steckenbleiben. „Wenn da zwei Lkw nebeneinander stehen, haben wir schlechte Karten“, erklärt er die Brisanz der Verkehrssituation; „da ist kein Platz für drei Großfahrzeuge nebeneinander.“ Diplom-Ingenieur Eberhard Zimmerschied, Abteilungsleiter Betrieb und Verkehr beim Landesbetrieb Straßenbau NRW, verweist auf Nachfrage der SZ auf die Allrad-Fähigkeit der großen Einsatzfahrzeuge: „Wenn Gefahr in Verzug ist, können die auch durch das Grün fahren.“ Ein Ausweichen auf die Grünstreifen, die mit hohem Bordstein von der Fahrbahn getrennt sind, hält Berthold Braun indes für keine gute Empfehlung: „Ich kann vom Fahrer eines Feuerwehrfahrzeuges nicht verlangen, dass er da durch fährt.“ Zum einen laufe ein Löschfahrzeug dabei Gefahr, angesichts seines Gewichts im Beet steckenzubleiben; andererseits müssten bis zu einem Meter hohen Gewächse überfahren werden.

Groteske Reaktionen der Autofahrer

Rüdiger Schmidt kennt als Rettungsassistent nur allzu gut die mitunter grotesken Reaktionen von Autofahrern beim gut gemeinten Versuch, einem Fahrzeug mit Sondersignal Platz zu machen; „zum Beispiel wenn die Autofahrer ein herannahendes Rettungsfahrzeug viel zu spät erkennen, aus der Panik reagieren, mit ihren Alufelgen gegen die Bordsteinkante knallen und im Beet landen“, berichtet er von einer Einsatzfahrt. Rechts ranfahren und stehenbleiben – diesen Tipp gibt er allen Autofahrern, die eine Rettungsgasse bilden wollen, denn: „Es gibt nichts Schwierigeres für uns bei einer Einsatzfahrt, als ein sich bewegendes Fahrzeug einzuschätzen“, erklärt Rüdiger Schmidt weiter. Ein von den Straßenverhältnissen ganz unabhängiges Problem sei die Wahrnehmung: Neue Pkw seien so gut schallisoliert, dass der Ton des Martinshorns oft kaum in den Innenraum durchdringe. Um dem zu begegnen, „müssten wir so viel Krach machen, dass den Fußgängern die Ohren platzen“, glaubt Schmidt.

Schlechte Alternativen für schnelles Durchkommen

Um den Engpass der B 508 bis zur Hauptverkehrskreuzung in der Kreuztaler City zu umfahren, bleiben Feuerwehr und Rettungsdienst theoretisch die Umwege über das Ziegeleifeld oder die Fußgängerzone am Marktplatz. In der Praxis nutzen die Retter diese Alternativen kaum – schon die hohe Fußgängerfrequenz in der Einkaufspassage sowie  entlang der Grundschule und des Seniorenzentrums macht eine gefahrlose zügige Durchfahrt hier unmöglich.

Südumgehung soll Problem entschärfen

Dass das Nadelöhr B 508 im Zuge der Fahrbahnsanierung nicht baulich entschärft wird, begründet der Landesbetrieb Straßenbau NRW mit zu großem Aufwand: „Wir bauen ja keine Straße neu“, argumentiert Eberhard Zimmerschied. Sollten die Grünanlagen zu einer befahrbaren Ausweichfläche werden, müssten dort sämtliche Bordsteine herausgenommen, Leitungen neu verlegt und die Straßenentwässerung verändert werden. Diese Arbeiten würden sich über mehrere Monate erstrecken – „das wäre ja gar nicht vorstellbar“, findet Zimmerschied. Außerdem verweist er auf die langfristige Perspektive, dass die Kreuztaler Südumgehung den Innenstadtverkehr laut einem Gutachten um 50 Prozent reduzieren könne. Frühestens im Jahr 2013 könnten auf der neuen Trasse die ersten Autos rollen. Bis dahin bleibt die B 508 in Kreuztal für schnelle Helfer wohl ein Dorn im Auge. bjö

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Rasch ist für Feuerwehrfahrzeuge auf der Bundestraße 508 in der Innenstadt kein Durchkommen mehr - der Bau der Fahrbahn lässt für andere Verkehrsteilnehmer kaum ein Ausweichen zu.
Hohe Bordsteine und Blumenbeete verhindern auf der Marburger Straße, dass Zivilfahrzeuge problemlos eine Rettungsgasse bilden können.