Aktuelle Nachrichten

Nähmarathon statt Einsatzübung: In so mancher Stube von Feuerwehrangehörigen im Kreis Siegen-Wittgenstein rattern in diesen Tagen die Nähmaschinen – normaler Übungsdienst ist in diesen Wochen nicht erlaubt. Die Kreuztaler Feuerwehrfrauen Ann-Christin Meier sowie die Zwillingsschwestern Vanessa und Saskia Haber fertigten 280 Schutzmasken für die Einsatzkräfte der Stadtfeuerwehr Kreuztal. Und noch weitere sonderbare Blüten treibt der Corona-Frühling bei den Feuerwehrleuten im Kreis Siegen-Wittgenstein – die SZ hat sich umgehört.

Wöchentliche Videokonferenz

Dass sich alle Wehrführer des Kreises gemeinsam mit dem Kreisbrandmeister wöchentlich per Videokonferenz zusammenschalten, ist ebenso neu wie lohnenswert. Kreisbrandmeister Bernd Schneider: „Für uns gilt nach wie vor die Maxime, in den Einsätzen so wenige Feuerwehrleute wie möglich zu gefährden.“ Die bisher geltenden Infektionsschutz-Maßnahmen – und dazu zählt auch das Aussetzen von Übungsdiensten und Lehrgängen – werden zunächst bis zum 31. Mai verlängert. Das Kreiszeltlager der Jugendfeuerwehr in Freudenberg fällt in diesem Jahr ebenso der Corona-Krise zum Opfer wie der für Burbach geplante Leistungsnachweis sowie die für Mai geplante Mitgliederversammlung des Kreisfeuerwehrverbands. In der zweiten Maihälfte wollen Wehrführer und Kreisbrandmeister besprechen, ob ab Juni ein Übungs- und Ausbildungsdienst zumindest wieder in Kleingruppen beginnen kann.

Eichener übernehmen Tragehilfen

So genannte „Tragehilfen“, also Einsätze, bei denen Feuerwehrkräfte den Rettungsdienst beim Abtransport von Patienten unterstützen, werden zunächst nur noch von vier Feuerwehrkräften pro Alarmierung absolviert, um den Kreis der potenziell Gefährdeten zu minimieren. Im Stadtgebiet Kreuztal haben sich dazu neun Kameraden der Löschgruppe Eichen bereiterklärt, die während der geltenden Schutzmaßnahmen sämtliche Tragehilfe-Einsätze in der Stadt Kreuztal abarbeiten. Dabei werden jeweils vier von ihnen mit dem Mannschaftstransportwagen ausrücken. Andere Hilfeleistungseinsätze wie "Person hinter Tür" oder Menschenrettung über Drehleiter bleiben davon freilich ausgenommen. 

Alarmstichworte personalreduziert

Zu den weiteren Empfehlungen, die der Kreisbrandmeister in der Runde der Wehrführer ausgesprochen hat, gehört eine Anpassung der Personalstärke für alle Einsatzstichworte in Zeiten von Corona: Seit das Virus den Alltag beherrscht, sei die Tagesverfügbarkeit von Einsatzkräften „erste Sahne“, so umschreibt es der Bad Berleburger Wehrführer Klaus Langenberg. Dafür seien ebenso Home office und Kurzarbeit verantwortlich. Entsprechend ist in den meisten der elf Kommunen des Kreises der Alarmierungsumfang für jedes Alarmstichwort „verschlankt“ worden. Auch in Kreuztal wird diese personelle Reduzierung praktiziert. Zudem sind in Kreuztal die Mitglieder der Jugendfeuerwehr zwischen 16 und 18 Jahren, die schon Einsätze begleiten dürfen, angehalten, bei einem Alarm zu Hause zu bleiben. Auch über 60-jährigen Einsatzkräften empfiehlt der Kreuztaler Wehrführer Berthold Braun, „ihren Einsatzdienst auch zu reduzieren oder den Einsätzen fern zu bleiben“.

Mit Atemschutz ins Seniorenheim

Läuft in einem Alten- oder Pflegeheim eine Brandmeldeanlage auf, betritt die Feuerwehr die Einrichtung nur mit angeschlossenem Atemschutzgerät. „Diese Maßnahme ist dafür, damit wir nichts reinbringen, was nicht reingehört“, erklärt der Bad Laaspher Wehrführer und zugleich stv. Kreisbrandmeister Dirk Höbener diese Maßnahme, mit der die Bewohner geschützt werden sollen.

Mund- und Nasenschutz bei jedem Einsatz

Mund- und Nasenschutz ist bei allen Einsatzkräften Standard und wird optimalerweise schon vor Beginn der Einsatzfahrt angelegt. In den Einsatzfahrzeugen lasse sich, so Dirk Höbener, der gebotene Mindestabstand schlichtweg nicht einhalten. Erndtebrücks Feuerwehrchef Karl-Friedrich Müller erklärt, was zum optimalen Ansteckungsschutz geboten sei: wenige Gespräche im Fahrzeuginneren, heruntergeklappte Helmvisiere sowie sofortiges Aussteigen am Einsatzort. Wie vielerorts hat auch er die Dienstorder herausgegeben, regelmäßig, mindestens alle zwei Wochen die Aggregate, Fahrzeuge und Pumpen auf ihre Funktionstüchtigkeit zu prüfen bzw. laufen zu lassen. Müller stellt sich zudem darauf ein, dass angesichts von Corona die bestellte neue Erndtebrücker Drehleiter erst später als für Mai geplant ausgeliefert werde – so lange muss die alte Kreuztaler „Leihleiter“ noch bei den Wittgensteinern aushelfen. 

Die Moral ist gut     

„Die Moral der Truppe ist sehr gut“, resümiert Siegens Feuerwehrchef Matthias Ebertz die ersten Wochen Feuerwehrdienst unter Corona-Bedingungen. Allerdings: „Unseren Leuten fehlt der Übungsdienst, der ja momentan flachfällt – und zwar nicht, weil sie gern Schläuche rollen, sondern einfach weil sie die anderen Kameraden mal wiedersehen wollen.“ Manche Einheiten wie Eisern hätten bereits damit begonnen, Übungsdienste per Videokonferenz zu veranstalten.  

Im Siegener Rettungsdienst sei seit Corona ein deutlicher Rückgang der Einsatzzahlen um rund 20 Prozent zu verzeichnen: „Wir fahren fast nur noch wirklich Kranke“, sagt Ebertz: Viele Hilfeersuchen solcher, die den Rettungswagen bestellen, obwohl sie nicht viel mehr als den Rat eines Hausarztes benötigen, seien weggefallen. „Stattdessen beschäftigen wir uns mit zig Leuten damit, Schutzkleidung von irgendwo her zu beziehen“, so der Leiter der Siegener Feuerwehr; „und das funktioniert oftmals nur über Netzwerke.“ Aufgegeben habe er es, auf bestellte Lieferungen aus China zu warten und habe stattdessen den Müsener Autozulieferer „Incutech GmbH“ beauftragt, für die Stadt Siegen 10.000 Masken zu produzieren. Die Laaspher sichern ihren Maskennachschub mit einer 300-fachen Bestellung bei einer heimischen Schneiderin. Vom Schreibtisch des Netphener Wehrführers Sebastian Reh ist gerade eine Bestellung von 1.500 FFP 2-Masken rausgegangen; Karl-Friedrich Müller freute sich in Erndtebrück über eine Spende von 200-fachem Mundschutz von einer Ärztin, bei der der Wehrführer selbst in Behandlung war. In Freudenberg haben ebenso bereits einige Feuerwehrangehörige zur Nähmaschine gegriffen wie in Kreuztal, Kredenbach, Osthelden und Krombach.

Kreisbrandmeister Bernd Schneider fasst die aktuelle Herausforderung zusammen: „Das Problem ist einfach: Die Leute wollen etwas tun, sind aber außerhalb von Einsätzen zum Nichtstun verdonnert. Das ist für viele ein schwieriger Umstand, der im Moment aber unabänderlich ist. Ansonsten sind nach wie vor alle hochmotiviert und die Situation für uns noch gut handlebar.“ Glücklicherweise ist in diesen Tagen nicht jedes coronabedingte Hindernis existenzieller Natur: Erndtebrücks Feuerwehrchef Karl-Friedrich Müller könnte aktuell eine neue Dienstuniform gut gebrauchen. Doch einfacher gesagt als getan angesichts eingeschränkter Servicemöglichkeiten, wie er selbst schmunzelnd bemerkt: „Ich könnte nur einen neuen Anzug bestellen, aber ihn nicht vorher anprobieren.“ bjö


Bilder

Saskia Haber, Ann-Christin Meier und Vanessa Haber produzierten 280 Masken für die Einsatzkräfte der Stadtfeuerwehr Kreuztal.
Mund- und Nasenschutz gehört auch in der Stadtfeuerwehr Kreuztal - hier der Löschzug Kreuztal bei einer aufgelaufenen Brandmeldeanlage in einem Kreuztaler Frischemarkt - zur Selbstverständlichkeit.