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E-Mobilität ist modern, wird vom Staat gefördert und macht auch hierzulande einen wachsenden Anteil am Straßenverkehr aus. Für die Feuerwehren bedeutet sie eine neue Herausforderung, denn: Wenn ein batteriebetriebenes Fahrzeug einmal brennt, kann es zu Reaktionen kommen, die einen langwierigen und unter Umständen gefährlichen Feuerwehreinsatz nach sich ziehen. Auch bei technischer Hilfeleistung an Fahrzeugen mit verbautem Akku ist für die Helfer angesichts von Elektrospannung Vorsicht geboten.

Der ozeanische Löscheffekt

Moderne Löscharmaturen und -taktiken ermöglichen es der Feuerwehr heutzutage, mit einem Minimum an Löschmittel ein Maximum an Löschwirkung zu erzielen: So lässt sich ein Zimmerbrand in der intelligenten Kombination aus Technik und Wissen mit wenigen Litern Wasser in den Griff bekommen. Der „ozeanische Löscheffekt“, der für einen größeren Wasser- als Brandschaden steht, ist indes ein spöttelnder Begriff aus tiefster Feuerwehr-Historie. Mit sparsamsten Mitteln kommt die Feuerwehr allerdings nicht mehr aus, wenn ein E-Auto, das beispielsweise durch einen Lithium-Ionen-Akku angetrieben wird, in Vollbrand steht: „Wenn der Disponent in der Leitstelle sicher weiß, dass er die Feuerwehr zu einem brennenden E-Auto schicken soll, tut er gut daran, ein Tanklöschfahrzeug mehr als üblich hinzu zu alarmieren“, sagt Thomas Tremmel. Der Leiter des Amtes für Brand- und Bevölkerungsschutz sowie Rettungswesen im Kreis Siegen-Wittgenstein weiß um die Besonderheiten, die im Falle eines Einsatzes mit elektrobetriebenen Fahrzeugen den Einsatzkräften blühen können: Durch Hitze, einen Stoß wie beispielsweise einen Aufprall oder durch eine falsche Aufladung könne im Lithium-Ionen-Akku eine „exotherme Reaktion“ in Gang kommen, die nicht ohne weiteres zu stoppen sei. Zum einen könne diese einen Brand nach sich ziehen, der nicht nur schwer zu löschen ist, sondern möglicherweise auch nach vielen Stunden wieder auflodert. Das noch brisantere Szenario sei eine chemische Zersetzungsreaktion, die die Entstehung und den Austritt von Flusssäure zur Folge hat. Diese sei hochtoxisch und in der Lage, schon bei kleinsten Verätzungen an der Haut schwere Elektrolytverschiebungen im Körper zur verursachen, die Herzrhythmusstörungen auslösen. „So kann es passieren, dass aus einem vermeintlich routinehaften Pkw-Brand ein Gefahrgut-Einsatz wird“, so der Oberbrandrat.

Feuer kann wieder auflodern 

Die vergleichsweise harmlosere Variante, dass ein einmal gelöschtes E-Auto auch nach Stunden wieder in Brand geraten kann, weil der Akku nach wie vor stark erhitzt ist, sorgt überall in Feuerwehrkreisen für Diskussionen. Mancherorts tauchen Feuerwehren die Fahrzeuge in einen mit Wasser gefüllten Behälter, der eine dauerhafte Kühlung garantiert. Dafür bietet der Markt bereits multifunktionale Abrollcontainer an, die es nicht nur ermöglichen, ein komplettes Fahrzeug vor Ort unter Wasser zu setzen, sondern zugleich als mobile Wasserspeicher beispielsweise für Waldbrände fungieren können. Auch denkbar wäre die Variante, eine in Siegen bereits als Abrollcontainer vorgehaltene Schuttmulde zunächst mit Folie auszukleiden, um sie zu einem wasserdichten Tauchbad umzufunktionieren. All dies für den Eventualfall, denn: Mit einem brennenden E-Auto musste sich bislang keine Feuerwehr im Kreis Siegen-Wittgenstein auseinandersetzen.

Nur akuter Löscheinsatz?

Thomas Tremmel stellt indes die Frage, in wieweit die Feuerwehr nach dem akuten Löscheinsatz und damit der primären Gefahrenabwehr dafür zuständig sei, sich mit einem einmal gelöschten und kontrollierten Fahrzeug durch eine derartige Aktion weiter zu befassen. Wenn das Auto gelöscht und die Wärmeentwicklung überprüft worden sei, habe die Feuerwehr eigentlich „ihre Pflicht getan“. Hier sieht er auch die Automobil- bzw. Verwertungsindustrie aufgefordert, alternative Lösungsstrategien zum Tauchbadlagerung bei der Feuerwehr zu entwickeln. 

Akkus tief verbaut

Wie mühsam es sein kann, an den im Auto verbauten Akku im Brandfall heranzukommen, weiß Ingo Dirlenbach. Der Hauptbrandmeister auf der hauptamtlichen Feuerwache in Siegen, zugleich ehrenamtlicher Einheitsführer des Zuges IV in der Stadtfeuerwehr Kreuztal (Ferndorf und Kredenbach, zugleich Gefahrgutspezialisten), hat sich in Fachlektüre eingelesen. Mal sei die Stromquelle mittig unter dem Fahrzeug angebracht, mal im Heck: „Sie sind natürlich so geschützt verbaut, dass sie im Falle eines Aufpralls womöglich nicht so schnell beschädigt werden.“ Um an sie heranzukommen, könne es womöglich nötig sein, das Fahrzeug anzuheben. In jedem Fall – auch bei einem Unfall, bei dem es nicht zu einem Brand gekommen sei - sei es ratsam, die thermische Entwicklung der Akkus mit einer Wärmebildkamera im Blick zu behalten. Eine Explosion sei jedoch ebenso ausgeschlossen wie ein lebensbedrohlicher Stromschlag.

Vorsicht bei "Hochvolt-Systemen"

Thomas Tremmel mahnt aber dennoch zur Vorsicht im Umgang mit „Hochvolt-Systemen“, so der Fachbegriff, die eine Restspannung im Fahrzeug verursachen könne. In der Regel werde die Stromversorgung bei einem starken Aufprall abgesprengt, so dass der Akku vom Antriebsaggregat getrennt sei, erklärt Thomas Tremmel. Ebenso existieren manuell bedienbare Trennschalter. Dennoch bleibe für Feuerwehrleute, die eine Person aus dem Fahrzeug befreien sollen, diesbezüglich eine Restunsicherheit. Unangetastet bleiben müssen die orange gefärbten Kabel im Fahrzeug: Sie dienen der Spannungsversorgung und dürfen keinesfalls mit hydraulischem Rettungsgerät bearbeitet werden.

Ausbildung ist die beste Ausstattung

Die einzige Investition, die Thomas Tremmel im Zuge einer zunehmenden E-Mobilität im Straßenverkehr auf die Feuerwehr zukommen sieht, ist die in Wissen und Erfahrung: „Ich sehe unsere Feuerwehren mit dem vorhandenen technischen Equipment der Brandbekämpfung gut aufgestellt. Was uns immer wichtig bleiben muss, ist der aktuelle Ausbildungsstand der Mannschaft.“ bjö


Bilder

Schon ein normaler" Fahrzeugbrand - wie hier in Buschhütten vor wenigen Jahren - erfordert einen massiven Löscheinsatz. Größer aufgefahren werden muss er womöglich, wenn ein E-Auto in Flammen steht.