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Eine chemische Reaktion auf dem Betriebsgelände der Firma Umweltservice Lindenschmidt hat am Mittwochmorgen eine größere Menge Ammoniak freigesetzt und einen Großalarm für rund 120 Einsatzkräfte ausgelöst. Fünf Mitarbeiter des Unternehmens mussten mit Verdacht auf Atemwegsreizungen ins Krankenhaus. Knapp drei Stunden nach der Alarmierung war die Gefahrgutlage unter Kontrolle.

Der guten Zusammenarbeit der Firma Lindenschmidt und der Feuerwehr dürfte es zu verdanken sein, dass das Littfetal nach dem morgendlichen Alarm kurz vor acht Uhr vor einer gravierenderen Gefährdung verschont blieb. „Beeindruckend, wie hier Technik und Fachkunde in so großem Umfang so schnell vor Ort waren und die Lage gemeistert haben“, zeigte sich Kreuztals Bürgermeister Walter Kiß gegen Mittag vor Ort erleichtert darüber, dass Firmen- und Einsatzleitung Entwarnung geben konnten. Gegen 7.45 Uhr hatten Mitarbeiter im Bereich der Neutralisation bzw. Stoffaufbereitung auf der unteren Betriebsfläche in der Krombacher Straße eine chemische Reaktion in einem Bearbeitungsbecken wahrgenommen, in dem sich zähe bis zähflüssige Müllstoffe wie beispielsweise Farbreste befanden. Sofort waren ein starker Ammoniakgeruch sowie eine nebelartige Wolke wahrnehmbar. Noch vor Eintreffen der ersten kommunalen Feuerwehreinheiten begann die Betriebsfeuerwehr mit eigenen Maßnahmen, die die öffentliche Feuerwehr dann übernahm: das Niederschlagen der giftigen Dämpfe mit Hilfe eines Wasser-Sprühstrahls. Die chemische Reaktion, bei der es jedoch zu keinem Brandereignis kam, dürfte laut Volker Lindenschmidt, technischer Geschäftsführer des Unternehmens, auf einen sogenannten „Fehlwurf“ zurückzuführen sein, also eine ungewollte Vermengung des Mülls mit einer alkalischen Substanz. Zwar würden von jeder Charge ankommender Abfälle dieser Art Proben entnommen – laut Unternehmen bis zu 20.000 jährlich -, doch selbst diese feinmaschige Kontrolle könne nicht komplett ausschließen, dass eine ungewollte Substanz – wenn auch nur in kleinen Mengen – dann eben doch in der Ladung enthalten ist und bei der Probenentnahme zunächst unentdeckt bleibt.

Der Ammoniakalarm führte dazu, dass schon beim primären Einsatzstichwort ein Großaufgebot der Feuerwehr im Littfetal aufschlug: neben verschiedenen Einheiten aus dem Kreuztaler Stadtgebiet schließlich weitere aus Bad Berleburg, Siegen Netphen, Hilchenbach, Wilnsdorf und Erndtebrück. Zur rettungsdienstlichen Behandlung der fünf betroffenen Mitarbeiter löste die Leitstelle Minuten später das Einsatzstichwort „Massenanfall von Verletzten“ aus, was weitere Rettungsmittel in Marsch setzte, unter anderem auch den Rettungshubschrauber. Im Verlauf des Vormittags entwickelte sich die Bekämpfung der chemischen Gefahr zu einer Materialschlacht für die Einsatzkräfte: Insgesamt zehn von ihnen waren unter Chemieschutzanzügen im Einsatz, der mit der geballten Kompetenz von Chemie-Experten der Feuerwehr und Angestellten des Unternehmens zum Erfolg wurde: Eine Probe der Substanz, in der die chemische Reaktion stattgefunden hatte, analysierten die Experten im unternehmenseigenen Labor und testeten dort erfolgreich die Neutralisation des Gemischs, um sie anschließend am Becken selbst anzuwenden. Zeitgleich fanden laufend Messungen im Gefahrenbereich statt, aber auch im Krombacher Ort: Ein Messtrupp der Feuerwehr nahm an verschiedenen Positionen im Stadtteil Luftproben. Außerdem war über Handy-Apps eine Warnung an die Bevölkerung herausgegangen, Türen und Fenster geschlossen zu halten. Dass sich diese Meldung offenbar versehentlich auf die ganze Stadt Kreuztal bezog, sorgte kurzfristig für Irritationen und mehr Aufregung als nötig.

Mit der gelungenen Neutralisation des Gefahrstoffes konnte die Firma Lindenschmidt die Substanz dann in ihr eigenes Weiterverarbeitungs-System pumpen. Gegen 10.45 Uhr vermeldete der Abschnittsleiter Jan Kleine, Einheitsführer aus Kredenbach und Gefahrgutexperte in der Stadtfeuerwehr Kreuztal, dass die Aktion gelungen und das Umpumpen im Gange sei. Einsatzleiter Berthold Braun und Kreisbrandmeister Bernd Schneider, die im Einsatzleitwagen des Kreises den Großeinsatz koordinierten, konnten auch der Öffentlichkeit Entwarnung geben. Gegen 14 Uhr verließen die letzten Einsatzkräfte der Feuerwehr die Einsatzstelle in Krombach.

Die Größenordnung des gefährlichen Gemenges schätzte Volker Lindenschmidt gestern Vormittag auf vielleicht 20 Tonnen. Schätzungsweise 50 bis 100 Liter davon könnten durch die chemische Reaktion „ausgegast“ sein. Während des Feuerwehreinsatzes ruhte der Betrieb, in dem insgesamt 200 Mitarbeiter beschäftigt sind. Alle Einsatzkräfte, die im Gefahrenbereich tätig waren, mussten sich anschließend einer Dekontamination in einem Zelt unterziehen, das die Stadtfeuerwehr erst seit wenigen Wochen im Einsatz hat. „Es zeigt sich, wie wichtig es ist, die Feuerwehr sachgemäß auszustatten“, urteilte Bürgermeister Walter Kiß zufrieden über die Neuanschaffung, die bereits beim Chlorgasalarm im Freibad Buschhütten einige Tage zuvor im Einsatz gewesen war – die SZ berichtete.

Die Wehrleute überstanden den schweißtreibenden Einsatz unter Chemieschutzanzügen bei hochsommerlichen Temperaturen unbeschadet, allerdings mit reichlich Wasserbedarf vor und nach dem Einsatz. Manchen steckte die Anstrengung vom Wochenbeginn noch in den Knochen: Erst am Montagabend hatten Einsatzkräfte der Stadtfeuerwehr Kreuztal einen Einsatz mit gefährlichen Stoffen und Gütern praktisch geprobt.

Hier und da waren beim gestrigen Einsatz Stimmen vernehmbar, die fragten, warum zur Bevölkerungswarnung nicht die nach wie vor funktionsfähigen Sirenen gelaufen seien. Dies sei jedoch nur dann sinnvoll, so der Bürgermeister, wenn alle wüssten, was nach einem Sirenenalarm zu tun sei – zum Beispiel eine Radionachricht abwarten oder die Warnapp „Nina“ zu überprüfen. Eine zeitnahe Information der Bevölkerung auch bei derlei Zwischenfällen dürfte in Kürze die eigene App der Stadt Kreuztal bieten: Sie befindet sich noch in der Entwicklung und soll, so der Wunsch des Bürgermeisters, noch in diesem Jahr online gehen. bjö


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